Das Floß der Medusa

Semapedia.org transformiert Wikipedia-Links in Barcodes, die, mit einem Smartphone fotografiert, automatisch die entsprechende Internet-Seite öffnen. Dieser Barcode, ein grafisches Zeichen oderSemapedia-Tag existiert real an einem bestimmten Ort. Um mehr Information über diesen bestimmten Ort (die künstlerische Arbeit) zu erhalten, muss über das Handy das grafische Muster decodiert werden. Das Symbolische wird so wieder ins Reale überführt …

Der Hyperlink als Semapedia-Tag befindet sich als (digitaler) Siebdruck an der Oberseite eines 1 qm großen, also symbolisch gedachten Floßes in der Barthe, einem kleinen Fluss in der idyllischen nordvorpommerschen Landschaft. „Das Floß der Medusa“, ein Gemälde von Théodore Géricault, 1819 nach einem Tatsachenbericht der Überlebenden des Schiffbruchs der Fregatte Medusa (1816) gemalt, wird hier als Zeichen für Sein oder Nichtsein, extreme und unwirklich erscheinende Situationen innerhalb einer extremen Realität zitiert – eine Schnittstelle.

UNERWARTET

UNERWARTET eine transparente Qualle in gleißendem Sommerlicht zwischen den Zehen zerquetschen die herausquellenden Fetzen Gummibärchen ohne Farbstoffe ohne Geschmack ein Blick und der antiseptisch glattgespülte Strand übersät mit glitzernden Gallertfragmenten ungewohnterweise komplex kantig winzig Bauelemente für etwas Anderes Unbekanntes diffuse geometrische Anhäufungen links in der Ferne bis zur Kurve alle Spektralfarben reflektierend blendend umgestürzte scheinbar schon teilweise zerfallene Gewächse rechts in der Ferne bleichbeige metallisch in dunkles ruhiges Wasser ragend ehemals dynamische lineare Formenkonglomerate kombiniert mit natürlich wirkenden tiefgrünen Überwucherungen aus kontinuierlich sich seriell reproduzierender Strukturschichtungen. Erwartet dahinter gleichmäßig angeordnete niedrige Dünenketten dahinter symmetrisch verschlungen angelegte zartgraue Wegesysteme dahinter mittelbraune Sitzgelegenheitsanlagen dahinter kompakte typisierte Gebäuderiegel dahinter nichts sichtbar.

Gabriele Künne 2000

Katalogtext zur Ausstellung SATELLIT, z2000-Positionen
junger Kunst und Kultur, Akademie der Künste Berlin, 2000